Seit jeher ist die Gebäudehülle so (luft-)dicht wie möglich gemacht worden. Einfache Dichtungsmassnahmen, wie das Stopfen mit Moos bei Holz-Blockbauten, zeugen von diesen Anstrengungen. Bei Massivbauten war es vor allem der Verputz, der die dichtende Funktion übernahm. Der Luftaustausch erfolgte über die in der Regel undichten Fenster, die noch keine umlaufenden Dichtungen hatten. Daraus ergab sich ein hoher Luftaustausch, der im Winter sehr niedrige Raumluftfeuchtigkeiten zur Folge hatte. Bei den üblichen, nach 1945 erstellten Massivbauten, betrug die relative Raumluftfeuchtigkeit etwa 30 bis 35%, der natürliche Luftwechsel nL etwa 0.3 bis 0.5 pro Stunde. Tiefe Raumluftfeuchtigkeiten führen zu Austrocknungen der Atemwege und zu einer verstärkten Empfindlichkeit gegenüber Staub. Tiefe Raumluftfeuchtigkeiten verhindern aber auch weitgehend die Schimmelpilzbildung bei wärmetechnischen Schwachstellen in der Konstruktion; Milben trocknen bei tiefer relativer Luftfeuchte aus und sind nicht mehr aktiv. Die notorisch zu trockene Luft verhalf den Luftbefeuchtern zu einer Hochblüte. Nach dem Erdölschock anfangs der 70er Jahre wurde realisiert, dass der ungeregelte Luftaustausch über die undichten Fenster mit grossen Wärmeverlusten verbunden ist. Unter multimedialer Anleitung wurden in der ganzen Schweiz die Fenster mit Schaumstoff- und Gummibändern gedichtet, mit fatalen Folgen. Der natürliche Luftwechsel wurde drastisch reduziert. Es sank in der Regel unter 0.1 pro Stunde, d.h. weniger als 1/10 der Luft wurde pro Stunde ausgewechselt. Bei gleich bleibender Feuchteproduktion im Gebäudeinnern stieg die relative Raumluftfeuchtigkeit auf Werte über 50% an; Raumluftfeuchtigkeiten über 70% waren keine Seltenheit. Diese hohen Raumluftfeuchtigkeiten führten zu Schimmelpilz bei kalten Stellen der Wandoberfläche. Besonders gefährdet waren Aussenecken mit ihren geometrisch bedingten Wärmebrücken, schlecht wärmegedämmte Fenstersturzpartien, Fensterleibungen, Wandpartien hinter Kästen und Vorhängen usw. Gelangte die feuchte Raumluft bei undichten Stellen sogar in die Konstruktion, dann hatte dies bei kalten Partien eine massive Kondenswasserbildung zur Folge. Dies wiederum bewirkte Pilzbildung und Fäulnis und führte zu einer ernsthaften Gefährdung der Konstruktion an sich. Hohe Raumluftfeuchtigkeiten führen auch zu einer Aktivierung der Milbenbildung. Undichte Stellen traten vorallem im Holzbau auf, dort, wo Deckenbalken und Sparren direkt nach aussen verlaufen und somit direkte Luftdurchtritte von innen nach aussen stattfanden. Auf dem Weg von innen nach aussen kühlte sich die warme, feuchte Innenluft ab und kondensierte an kalten Partien, wie dies z.B. bei Skibrillen beobachtet werden kann, wenn damit ein warmer Raum betreten wird. Der niedrige Luftwechsel führte auch zu einer Erhöhung der Schadstoffkonzentration. Besonders zu erwähnen sind die menschlichen Stoffwechselprodukte (CO2), der Tabakrauch, das Formaldehyd, die flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), das Radon, der Hausstaub usw. Ein ungünstiges Benutzerverhalten hat in Einzelfällen die Zunahme der Raumluftfeuchtigkeiten noch verschärft. Der häufig angebrachte Vorwurf, dass der Nutzer allein für die hohe Raumluftfeuchtigkeit verantwortlich sei, stimmte in den meisten Fällen nicht. Untersuchungen haben gezeigt, dass solch dichte Gebäude jede Stunde kurz gelüftet werden sollten, um, auf den ganzen Tag betrachtet, einen genügenden Luftwechsel zu erreichen. Dies ist aber kaum praktikabel, vor allem nicht bei werkstätigen Leuten.
Luftdichte Gebäudehülle und Wohnungslüftung im Zusammenhang – Rück- und Ausblick für die Schweiz
Year:
2007
Bibliographic info:
2nd European Blower Door Symposium, March 2007