Ziel der Arbeit/Fragestellung
Die luftdichte Ausführung der wärmeübertragenen Gebäudehülle ist als selbstverständliches Bau- Soll in der Baupraxis angekommen. Ein n50-Wert in der Größenordnung von 1 ist bei Neubauten in Deutschland mittlerweile häufig. Umso mehr fordern Bauträger und Bauschaffende, bei derart guten Luftwechselraten wegen einzelner Luftleckagen dennoch erhobene Mängelrügen als von vornherein unbegründet zurückzuweisen. Begriffe wie "allgemein übliche Bautoleranzen", "hinzunehmende Unregelmäßigkeiten" oder schlichtweg der Verweis darauf, dass eine Luftwechselrate von Null sowieso nicht erzielbar sei, werden in Streitigkeiten über Luftleckagen immer häufiger geltend gemacht. Im Vortrag wird aufgezeigt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen im deutschen Recht für diese Diskussion maßgeblich sind.
Methode der Herangehensweise
In der Praxis häufiger auftretende Konstellationen und Fragestellungen werden den einschlägigen werkvertragsrechtlichen Regelungen gegenübergestellt.
Inhalt des Vortrags
Das Bau-Soll der luftdichten Gebäudehülle entstammt dem Bauordnungsrecht. Bislang verankert in der EnEV und nun im GEG ist der Maßstab streng. Gefordert wird eine dauerhaft luftundurchlässige Ausführung der wärmeübertragenden Gebäudehülle einschließlich der Fugen, und dies unter Beachtung der einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik. Vermeidbare Leckagen stellen immer eine Abweichung von diesem Bau-Soll dar. Wird nun nach Toleranzen oder hinzunehmenden Unzulänglichkeiten gefragt, versteckt sich dahinter letztendlich die Frage, ob es beim Thema der Luftdichtheit der Gebäudehülle eigentlich "gebrauchstaugliche Luftleckagen" geben kann – Leckagen also, die zwar objektiv gegeben sind, aber die Gebrauchstauglichkeit der Gebäudehülle gleichwohl nicht oder nur vollkommern unerheblich beeinträchtigen. Der Referent zeigt auf, dass so etwas aus juristischer Sicht schwer vorstellbar ist. Insbesondere aber wird aufgezeigt, dass das Werkvertragsrecht derartige Fälle anders als durch die schlichte Anerkennung irgendwelcher Toleranzen, nämlich durch den potenziell immer möglichen Einwand der Unverhältnismäßigkeit einer geforderten Mangelbeseitigung regelt.
Ergebnisse
Aus juristischer Sicht erscheint das Konstrukt einer "gebrauchstauglichen Leckage" schwer vorstellbar. Die Anerkennung irgendwelcher allgemeiner Toleranzen im Hinblick auf die Luftdichtheit der Gebäudehülle dürfte deshalb rechtlich eher abwegig sein.
Schlussfolgerungen
Wenn Gebäudehüllen qualitativ hochwertig und entsprechend luftdicht ausgeführt werden, sollte ein Streit über die Bedeutung dennoch vorhandener Restleckagen vor allem über die Frage nach der Unverhältnismäßigkeit eines Mängelbeseitigungsverlangens geklärt werden. Baupraxis, Bautheorie und die Baujuristen sind gefordert, praxisbezogene Kriterien und Kategorien zu entwickeln, die für eine solche Klärung fruchtbar gemacht werden können.
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